Sashko Jarmola von HAYDAMAKY über ihren neuen Album
Am Anfang hat man angekündigt, dass euer neues Album KOBZAR IS NOT DEAD heißen würde. Wieso habt ihr beschlossen, euch nur auf das erste Wort „Kobzar“ zu begrenzen?
- Als wir unser Album „Kobzar“ nannten, haben wir damit nicht den Namen von Taras Schewtschenko’s Sammlung von Gedichten gemeint, sondern eine Sammlung von Dumen (typisch ukrainische Art der historischen Lieder aus dem 15 -18 Jhd.) und Erzählungen verschiedener Kobzaren. Das ist eine Kobzar-Sammlung von HAYDAMAKY mit einer Hommage an Taras Hryhorowytsch - einem der bekanntesten und stärksten ukrainischen Dichter. So haben wir auch die Haydamakische Tradition fortgesetzt, unseren Alben Namen zu geben, die in der Sphäre des ukrainischen Kulturgebietes liegen. Und „Is Not Dead“ ist doch keine ukrainische Tradition. Natürlich sind wir in unserer Seele alte Punker, unsere Kultur ist uns aber näher und wichtiger.
Ihr habt euch als eine europäische Band positioniert, ist deshalb eure Platte jetzt als Erstes in Deutschland erschienen?
- Nein, all das ist eigentlich nur wegen unseres Arbeitsablaufs. Die ersten Verträge wurden mit den Deutschen unterschrieben, deshalb haben sie als Erstes die ganze Maschinerie ins Laufen gebracht. Uns war es egal, wo das Album als erstes erscheint, in der Ukraine oder im Ausland. Es gibt drei verschiedene Release - in der Ukraine, in Polen und in Deutschland für den Rest der Welt. Die CD wird auch eine gesonderte Präsentation in den Niederlanden haben. Das Berliner Label Eastblock ist unser alter Partner, sie haben auch unser voriges Album Ukraine Calling rausgebracht. Mit ihnen zusammen zu arbeiten ist leicht, es hat sich schon ein Rhythmus eingespielt. Deswegen erschien das Album als Erstes in Deutschland. Das zweite Release ist in der Ukraine. Der Weg ist auch schon längst begangen, hier haben wir schon 4 Platten gemacht, nur das Label ist ein bisschen größer, dementsprechend ist auch die ganze Papierarbeit komplizierter. Und das nächste Release wird in Polen sein. Es ist unser erstes Release in Polen. Zwar wurde auch unsere vorige CD dort verkauft, es war aber die deutsche Ausgabe.
Habt ihr auch vor, das Release durch Konzerte zu unterstützen?
- Genau so, der Reihe nach, werden auch die Präsentationen stattfinden. In Deutschland kam die Platte am 1. Februar in den Handel und die Präsentation fand am 22. Februar in Berlin statt. In der Ukraine erschien die CD am 8. Februar und es gab auch eine Präsentation für Journalisten am 8. Februar. Für den 7. März haben wir einen Auftritt im Oktober-Palais geplant. Noch eine weitere Präsentation findet am 27. März in Polen, in Warschau, für Journalisten statt und im April geben wir ein Konzert im Club Stodola. Hinsichtlich der Tour, da werden wir jetzt fahren, um unser Release in Europa zu präsentieren. Die Tour beginnt am 15. Februar in Wien, dann folgen die Schweiz, Deutschland, Belgien, Dänemark und Schweden. Nach unserer Rückkehr am 4. März spielen wir dann sofort am 7.03 im Oktober-Palais in Kiew. Dann beginnt die Ukraine-Tour, während der wir die Städte der Ostukraine besuchen möchten, wo wir noch nicht aufgetreten sind. Beginnen werden wir in Dnepropetrowsk und Odessa, dann folgen Auftritte in Donetsk und Kharkov. Die nächste Präsentation findet in Polen statt und nach einem Konzert in Warschau kommen wir dann nach Gdansk, Wroclaw und Krakau, und dann schließlich setzen wir den Endpunkt in Holland.
Gibt es Unterschiede zwischen den europäischen und ukrainischen Releases?
- Ja, sie unterscheiden sich. Zum Beispiel wurde die Reihenfolge der Lieder in jedem Land ein bisschen verändert. In Deutschland wird CD ein Digipack-Cover haben, deshalb wird sie auf dem Markt auch teurer sein, und in der Reihenfolge der Lieder gibt es dort gewisse Änderungen. Zum Beispiel gibt es dort ein Remix zum Lied „Viter Vie“, das zusammen mit MC BROTHER CULTUR, einem MC aus Jamaika, der am Studio von Adrian Sherwood tätig ist, aufgenommen wurde. Dieses Remix gibt es bei dem ukrainischen Release nicht. Andererseits werden wir auf der ukrainischen CD zwei Lieder haben, die es bei den Deutschen nicht gibt, das sind „Chotyri Dvory“ und „Chorna Strela“. Was die polnische Version angeht, so kam dort noch ein Remix zum Lied „Yidu Tramvayem“ hinzu, das ist ein Werk des Studio „As One“, welches das Album produziert hat. Der Name ist aber, um niemanden in Verwirrung zu bringen, überall derselbe – Kobzar.
Was für ein Lied wird als Erstes das Albumrelease unterstützen?
- Die erste Single wird das Lied „Efir“ sein, das nach einer kurzen „Einleitung“, die eigentlich in den Track „Efir“ einfließt, das Album eröffnet. Das Lied ist Klasse, sehr lebendig, mit viel Drive, es ist schön, das auf Konzerten zu spielen. Es wurde auf der Basis meiner eigenen Erlebnisse geschrieben. Das Thema ist eine Geschichte eines einfachen Jungen aus dem Dorf Dybynci in der Nähe von Bohuslav, dessen Freundin für einige Zeit ins Ausland ging, um zu arbeiten. Das ist eigentlich eine für Ukrainer typische Geschichte. Sie passierte in meinem Leben schon vor lange Zeit, aber das Erlebte spiegelt sich in diesem Lied wieder. Es geht hier darum, dass die Zwei sich nacheinander sehnen, sich aber nur über den Äther (ukr. Efir) unterhalten können, das heißt über Gedanken, Träume. Der Vermittler ist, natürlich, der Himmel. Und was die Musikform angeht, so gibt es dort viele Einflüsse aus der Balkanmusik. Es gibt ein schönes Trompetensolo, aber auch einen Widerhall des spanischen Flamencos.
Haben auch Gastmusiker an der Aufnahme teilgenommen?
- Ja, es gibt Gastmusiker in diesem Album. Im Lied „Message“ hilft uns die polnische Band VAVAMUFFIN. Außerdem erscheitn noch die Legende des polnischen Punkrocks GRABAZ auf den Tracks „Chotyri Dvory“ und „Efir“ . Als Backvocal singt Anja Frankevitsch aus Berlin. Sehr wichtig für dieses Album ist die Bandura. Ich kann nicht sagen, dass das ein Gastmusiker ist, es ist aber ein neues Bandmitglied und eine neue Farbe in unserer Farbpalette, immerhin hat Bandura den Klang des Albums verändert. Es ist wichtig zu betonen, dass als Soundproduzenten Mario Aktivator und Janek Smok auftraten. Sie arbeiten zu zweit im Studio „AS ONE“, sozusagen „als Einer“. Die Jungs haben viel zum Sound des Albums beigetragen. Dieses Studio spezialisiert sich auf Dub-Musik, deshalb ist hier der Dub-Einfluss, der immerzu Musik verändert, zu spüren. Das heißt, dass alles was wir uns ehrlich in Studio angespielt haben, später mit Hilfe von Live-Effekten bearbeitet wurde. Dub unterscheidet sich von Technomusik dadurch, dass es die digitalen Samples nicht benutzt und alles mit Hilfe solcher Live-Effekte wie Reverberation, etc macht. Mario Aktivator und Janek Smok sind echte Meister, sie sind Lehrlinge und Anhänger von Adrian Sherwood und arbeiten sowohl mit bekannten polnischen Stars als auch mit Musikern des Arian Sherwood Studios zusammen.
Erzählt uns, bitte, vom neuen Bandmitglied, dem Banduraspieler.
- Der Banduraspieler, Ivan Tkalenko, ist festes Mitglied der Ukrainischen Staatlichen Bandurakapelle. Gleichzeitig spielt er auch Bandura im Taras Petrenenko’s Ensemble. Er ist ein alter Freund von HAYDAMAKY. Endlich war die Zeit gekommen, dass wir unsere künstlerischen Bemühungen vereinen konnten. Die Bandura ist ein sehr schönes Musikinstrument, sie hat so einen meditativen Charakter, der früher im HAYDAMAKY-Sound nicht präsent war. Mit anderen Worten: Zum traditionellen HAYDAMAKY- Markenzeichen – lebendige, energische Musik mit feurigen Soli auf Trompete und Accordeon – kam jetzt eine erwachsene, meditative Komponente hinzu.
Ist das Lied „Efir“ wirklich die erste Single? Weil im ukrainischen Radio und TV kursierte noch vor kurzer Zeit das Stück „Chotyri Dvory“? (dieses Video gibt's hier)
- „Chotyri Dvory“ ist auch von diesem Album. Es hat schon seinen Durchlauf beendet, auch ein Video auf M1 wurde gespielt und kursierte als Remix im Radio. Die nächste Nummer nach „Efir“ wird sicher die Komposition „Rosa“ sein. Das ist eine Ballade, die auf der Zusammenführung von tiefer männlicher Stimme und Bandura aufgebaut ist. Es gibt dort auch ein magisches Soli auf Trompete und Akkordeon. Ein Lied über die Liebe – ein wirklich tolles Lied. Das ist das zweite sehr gute Lied dieses Albums. Beide Lieder „Efir“ und „Rosa“ haben bereits Videos, die von Vitja Pryduvalov gedreht wurden. Insgesamt wurden für dieses Album vier Videos gemacht. „Chotyri Dvory“ ist ein Versuch der Zusammenarbeit mit dem jungen Regisseur Anton Komjakhov. Für das Lied „Message“, das als Viertes kommen wird, machte das Video Taras Khymych. An der Aufnahme dieser Komposition nahmen die polnischen Musiker von VAVAMUFFIN und GARBAZ teil. Das ist unser gemeinsames haydamakisch-polnisches Projekt. Das Video wurde im Studio „Wisla“ gedreht, da, wo wir unser Material aufgenommen haben. Dann sind wir ins Warschauer Studio übergesiedelt, wo die VAVAMUFFIN ihre Message gerappt haben. Dieser Track ist sehr stark und fast in Real Time gemacht, in einem dazu sehr passenden Studio.
Wo befindet sich dieses Studio und wieso ist es so passend?
- Wir nahmen unser Rohmaterial im Studio „Wisla“ hoch in den Bergen, in den polnischen Karpaten auf. Das ist ein komplett analoges Studio, sie arbeiten nur mit Magnetband, mit ausschließlich analogen Effekten. Es befindet sich in einem großen, geräumigen Haus, das auf so einer Anhöhe steht, so dass man mit einem Jeep zwei Kilometer vom nächst gelegenen polnischen Dorf nach oben fahren muss. Hier müssen die Musiker absolut clean bleiben, kein Alkohol, kein Gras oder etwas ähnliches – keine Hilfsmittel. Nur die Musiker und die Musik. Wir haben unter spartanischen Bedingungen in einem Dorfhotel gewohnt und in dieses Studio gelangten wir in einem Jeep um neun Uhr früh. Mit uns hat Czarek Borowski gearbeitet, er kann mit Livesound arbeiten und alles analog aufnehmen. Das ist unsere erste Erfahrung mit einer so intensiven und in der Zeit begrenzten (in Laufe von drei Wochen) Studioarbeit. Sie war im April vergangenen Jahres beendet und danach haben wir das ganze Material im Studio „As One“ in Warschau zum Producing weitergegeben. Wir kamen hin, sie schrieben auf Papier alle unsere Wünsche auf, und danach sind wir nur ab und zu hingegangen, um die Resultate ihrer Arbeit vorzuhören. Die zwei Produzenten stellten uns zur Bedingung, dass sie selbstständig arbeiten würden. Am Anfang hatten wir gewisse Zweifeln, denn in der Ukraine standen wir ständig hinter dem Rücken des Soundingenieurs, der immer machte, was ihm gesagt wurde, das heißt, wir waren unsere eigenen Soundproduzenten. Deshalb kamen immer wieder diese hausgemachten Platten. Die einzige positive Erfahrung auf diesem Gebiet war die Zusammenarbeit mit dem schon verstorbenen Serhiy Tolstoluzhsky für den Track „Kokhannya“ vom vorigen Album, dort haben wir ihm auch das Soundproducing anvertraut. Und was die neue Aufnahme angeht, so möchte ich betonen, dass die Arbeit der Nachfolger von Adrian Sherwood findet irgendwo zwischen Warschau und London statt. In der Ukraine existiert bis heute nicht so eine hohes Niveau.
Das Original habe ich von fdr.com.ua genommen
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