KULTUR SHOCK (Fortsetzung) diesmal aus der Badischen Zeitung
"Wir kamen, um eure Jobs wegzunehmen" . Mit diesem Vorurteil gegen Migranten provozieren sie gern, die sechs Musiker von der Band Kultur Shock aus Seattle, die im Freiburger Café Atlantik gastierten. "We came to take your jobs away" , so nannten sie sogar ihr letztes Album. Doch selbstbewusst setzen sie noch eins drauf und postulieren: "Einwanderer arbeiten härter" — was sie mit ihrem intensiven Konzert in Freiburg auch überzeugend bewiesen.
Kultur Shock ist eine echte Schmelztiegel-Band, menschlich und musikalisch. Der Sänger und ein Gitarrist sind gebürtige Bosnier, sie kamen einst als Flüchtlinge in die USA, der andere Gitarrist wuchs in Bulgarien auf, Geiger und Schlagzeuger sind Amerikaner, der Bassist kam aus Japan. Zusammen spielen sie Balkan-Hardcore, wie es ihn wohl kein zweites Mal gibt. Die beiden Gitarristen sind mit den ungeraden Rhythmen der Balkanfolklore aufgewachsen und setzen sie nun mit großer Präzision und noch mehr Härte auf ihren E-Gitarren um. Ansatzlos wechseln sie in Rock-’n’-Roll-Riffs à la "Sisters of mercy" oder in verträumt-jazzige Improvisationen. Atemberaubend.
Im Vordergrund steht aber Sänger Srdjan Yevdjevic, ein bulliger, wild aussehender Typ mit halbrasiertem Schädel, wildem Bart und einem Pferdeschwanz aus Dreadlocks. Früher in Bosnien war er ein Popstar und nannte sich "Gino" . Die glatte Popstar-Stimme setzt er aber nur noch gelegentlich ein, denn er kann eigentlich alles mit seiner Stimme, vom tiefsten Metalgrunzen bis zu falsett-artigem orientalischem Gesang. Auch Schauspieler war er schon, kein Wunder, dass er so furchterregend mit den Augen rollen kann.
Wohl selten gab es im Café Atlantik, das an diesem Abend ordentlich gefüllt war, ein so abwechslungsreiches Konzert. Jedes Stück von Kultur Shock war in sich ein kleines Kunstwerk, vorgetragen mit der Attitude einer exaltierten Garagenband. Vielleicht war dies der eigentliche Kulturschock an diesem Abend, dass nach den beiden eher konventionellen Vorgruppen — der Freiburger Grunge-Band Pandora’s Balls und dem Punk der Savants aus Tübingen — plötzlich diese Hardcorewunderwelt aus Seattle auf der Bühne stand. Wer wollte, konnte mit offenem Mund staunen — oder einfach nur Spaß haben, wie das Freiburger Publikum.
Das hymnische "Sarajevo" gab es weit nach ein Uhr nachts als Zugabe. Kultur Shock wollen wieder nach Freiburg kommen. Watch Out. Diese Band sollte man nicht (mehr) verpassen.
Geschrieben von Christian Rath in der Badische Zeitung vom Samstag, den 29. März 2008
Es gab leider in der BZ kein einziges Bildchen, dafür habe ich den Artikel eingescant. Und Konzertfotos gab es schon genug in der vorigen Post. Meiner Meinung nach hätten mehr Menschen kommen können, das ist das Einzige, worin ich diesem Artikel nicht beistimme. Ich gehe aber normaleweise nicht ins Atlantik zu Konzerten, deswegen kann ich es auch nicht genau beurteilen. Präsentiert haben die Musiker das Album "Live in Europe", das sie am 1. Dezember 2006 bei ihrem Auftritt in der bulgarischen Hauptstadt Sofia aufgenommen haben. Deswegen habe ich alle Lieder schon gekannt, was natürlich bei Konzerten immer gut ist, man kann halt auch
mitsingen und noch mehr Spaß haben.
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