Montag, 30. Juni 2008

Musik frisch ausgepackt

Heute gibt es bei SLAVONIC DANCES die CD's, die in diesem Monat entweder erschienen oder bei mir mit einer kleinen Verspätung aufgetaucht sind. Die Länder-Liste ist folgende: Lettland, Tschechien, Rußland, Kroatien, Ukraine, Polen. Und die Playliste selbst:

1.DZELZS VILKS: Uija Uija, Nikni Vilki – Uija,uija nikni vilki (Upe Tuviem un Tāliem, 2008)
2. DZELZS VILKS: Uija Uija, Nikni Vilki – Janits kannu sastipoja (Upe Tuviem un Tāliem, 2008)
3. DZELZS VILKS: Uija Uija, Nikni Vilki – Raganina bubinaja (Upe Tuviem un Tāliem, 2008)
4. BUDOAR STARE DAMY: Dobrou Noc Svĕtlo – Nevím, nevím (Indies Scope, 2008)
5. BUDOAR STARE DAMY: Dobrou Noc Svĕtlo – Zazvor (Indies Scope, 2008)
6. MARKSCHEIDER KUNST: Cafe Babalu – Vdali (Gala Records, 2008)
7. MARKSCHEIDER KUNST: Cafe Babalu – Gde? (Gala Records, 2008)
8. KRIES: Kocijani – Lepo jutro kries nalaze (Kopito Records, 2008)
9. KRIES: Kocijani – Čuj Marice (Kopito Records, 2008)
10. STELSI: Tovarystvo z bezmezhnoju bezvidpovidal‘nistju. (Unlimited unliability Company) – To vhoru (Ukr Music, 2008)
11. STELSI: Tovarystvo z bezmezhnoju bezvidpovidal‘nistju. (Unlimited unliability Company) – Til’ky ne ja (Ukr Music, 2008)
12. KAPELA ZE WSI WARSZAWA: Wymixowanie – Baba w piekle (Jaro, 2008)

Und zum Schluß noch ein Video vom aktuellen Album "Uija Uija, Nikni Vilki" der letischen Gruppe DZELZS VILKS / EISERNE WÖLFE zum deren Titellied "Hej hej böse wölfe"

Montag, 23. Juni 2008

Musica Lautareasca und Neuerscheinungen aus Ex-Yu

Ab heute werden bei SLAVONIC DANCES die Radiobeiträge von GRIT FRIDRICH - Autorin der Reihe "Sounds From A Bygon Age" und große Kennerin der Balkanmusik gesendet. Beginnen tun wir mit einer kleinen Geschichte der traditionellen rumänischen Hochzeitmusik. Es ist eine gute Gelegenheit die älteren Ausgaben der "Sounds From A Bygon Age" wieder zu spielen. Dazu kommen noch zwei Neuveröffenlichungen von den ehemaligen jugoslawischen Gebieten: die neue Platte von Dino Merlin aus Bosnien und eine gemeinsame Arbeit der kroatischen Sängerin SEVERINA mit GORAN BREGOVIC, die auf einem slowenischen Label erschien. Die Playliste von Heute lautet:

1. TONI IORDACHE: Sounds From A Bygone Age Vol.4 - Variatiuni pe tema "Foaie verde si-o craita" (Asphalt Tango, 2007)
2. ROMICA PUCEANU: Sounds From A Bygone Age Vol.2 – Balanus (Asphalt Tango, 2006)
3. DONA DUMITRU SIMINICA: Sounds From A Bygone Age Vol.3 – La salul cel negru (Asphalt Tango, 2006)
4. ION PETRU STOICAN: Sounds From A Bygone Age Vol.1 – Hora de la Constanţa (Asphalt Tango, 2005)
5. GABI LUNCA: Sounds From A Bygone Age Vol.5 – Sus in deal pe poieniţa (Asphalt Tango, 2008)
6. DINO MERLIN: Ispocetka – Dabogda (City Records, 2008)
7. DINO MERLIN: Ispocetka – Nedostaješ (City Records, 2008)
8. MERLIN: Nešto lijepo treba da se desi - Jel sarajevo gdje je nekad bilo (Diskoton, 1989)
9. SEVERINA: Zdravo Marijo – Ljute cigare (Dallas Records, 2008)
10. SEVERINA: Zdravo Marijo – Zdravo Marijo (Dallas Records, 2008)

Montag, 16. Juni 2008

Balkan vs. Polonia

Diesmal geht es um Sampler und Remixes. Eine schöne Doppel-CD "The Balkan Club Night" vom Label Lola's World zusammen mit dem neuen Remixealbum von BALKAN BEAT BOX "Nu-Made" steht der brillianten Neuveröffentlichung von WARSAW VILLAGE BAND aka. KAPELA Z WSI WARSZAWA "Upmixing" gegenüber. Ohrwürmer vom Balkan versus polnische Folklieder gemixt von den besten Dubmeistern aus London und Warschau. Die Playliste, also...

1. ŠABAN BAJRAMOVIĆ: Black Cat White Cat OST – Bumamara (Komuna, 1998)
2. BOBAN MARKOVIC ORKESTAR: The Balkan Club Night – Rindizi (Lola’s World, 2008)
3. ŠABAN BAJRAMOVIĆ: The Balkan Club Night – Djeli mara (Lola’s World, 2008)
4. BALKAN BEAT BOX: Nu-made – Joro boro (Crammed Discs, 2008)
5. FANFARE CIOCARLIA & JONY ILIEV: The Balkan Club Night – Mig mig (Lola’s World, 2008)
6. WARSAW VILLAGE BAND: Upmixing – Baba w piekle (Jaro, 2008)
7. WARSAW VILLAGE BAND: Upmixing – Mateusz (Jaro, 2008)
8. WARSAW VILLAGE BAND: Upmixing – Zagrajcie muzykanty (Jaro, 2008)
9. WARSAW VILLAGE BAND: Upmixing – W boru kalinka (Jaro, 2008)

Donnerstag, 12. Juni 2008

GABI LUNCA in der Badischen Zeitung

Unsere BZ hat gestern eine Art Rezension auf die CD von GABI LUNA gedruckt. Ich schrieb schon über dieses hervorragende Release von Asphalt Tango Records hier "GABI LUNCA in Sounds From A Bygone Age". Die CD ist einfach brilliant, und ich will noch mal sagen, dass ihr einziges Mankel ihre Kürze ist.  Hier ist der BZ-Text - eine positive Bewertung mit einem Hauch von westlicher ignorante Arroganz. Wie immer habe ich mir erlaubt, ein paar Kommentare hinzuzufügen.

CD: GIPSY: Die Königin der Zigeunermusik Gabi Lunca
Ihr Musikkritiker habt manchmal einen seltsamen Geschmack, sagt der Kollege, der mal kurz in die Platte hineingeschnuppert hat. Finden wir nun zumindest in dem Fall nicht. Gabi Lunca kennt hierzulande zwar keiner mehr (man kann denken, dass früher die Bundesbürger Schlangen gestanden haben, um sie Live zu erleben) und selbst in ihrer Heimat Rumänien dürfte sie nur noch den Älteren ein Begriff sein (dafür singen heute alle jungen Deutsche die Lieder von Katherina Valente und Roy Black). Und dagegen wollen wir anschreiben. Denn die Musik, die die " Tzinganca de matase — die Königin des Gipys" in den 1960ern und 70ern in Rumänien machte, geht auch heute noch ins Blut. Zusammen mit ihrem Mann, dem Akkordeonisten Ion Onorio, und Spitzenmusikern (Gitarre, Violine, Cymbal, Bass) schuf sie einen Musikstil, der die verschiedenen Elemente aus Zigeunermusik, rumänischer Folklore und Swing verschmelzen ließ (ah so... wie heißt dieser Stil also? Vielleicht wäre es nützlich, noch andere CDs aus der Reihe „Sounds From A Bygone Age“ zu hören?). In das Rumänien unter Diktator Ceausescu brachte diese Musik also einen Hauch vom weiten Westen (hat unser Autor überhaupt eine Ahnung von Ceausescu und dem Westen in den 60er-70er Jahren?). Faszinierend aus heutiger Perspektive ist dagegen eher das rumänische Idiom (und das zigeunerische  Idiom ist nicht mehr relevant? Wofür steht dann "gipsy" im Titel?). Zum Beispiel die Hora, jener Rundtanz, dessen rhythmischer Magie man sich nur schwer entziehen kann. Und dazu die rauchige, manchmal scharfe, manchmal ganz orientalisch-sinnliche Stimme Luncas: Das fetzt, Herr Kollege!   adi
 
Das Bildchen mit dem Originalartikel öffnet sich in einem neuen Fenster in voller Größe.

Dienstag, 10. Juni 2008

14. Juni - die mOsten-Party im Jos!

Zum Abschluss der 4. Tschechischen Kulturtagen wird noch mal gefeiert und zwar im Josfritzcafe, dem traditionellen Ort für mOsten-Partys. Also am 14. Juni ab 22 Uhr nach dem Spiel Griechen gegen Russen gibt's die Party mit Musik von der Adria bis zur Ostsee und vom Scharzen Meer bis zum Schwarzwald. Der Eintritt ist wie immer - FREI! Dazu noch gibt es einen Becherovka bzw. Wodka zur Begrüßung!

Übrigens, dieses komische Männlein heißt Hosti und ist seit vier Jahren das Symbol der Tschechischen Kulturtage in Freiburg.

Montag, 9. Juni 2008

Playlist für ŠABAN BAJRAMOVIĆ

Gestern ist Šaban Bajramović gestorben... der Vater des heutigen Balkan-Musikstils. Erst Vorgestern, am Samstag, erschien bei Asphalt Tango Records das Album "Princes amongst Men: Journeys with Gypsy Musicians", wo es unter anderem auch sein Lied "I Bar Val Pudela" zu hören gibt. Vermutlich war das sein letzte Track, der noch während seines Lebens erschien.
boomp3.com
Sein letztes richtiges Album "Romano Raj" war leider nur in den Balkanländer zu kaufen und hatte kein westliches Promotion.
In der heutigen Playliste gibt es außerdem die neue CD von der kroatischen Popsängerin SEVERINA, die sie mit GORAN BREGOVIĆ zusammen aufgenommen hat und zwei Neuveröffentlichungen aus Tschechien - GIPSY.CZ und TERNE ČHAVE, wie die Namen schon sagen, das ist Gypsy Music made in Czech Republic.

1. ŠABAN BAJRAMOVIĆ: Black Cat White Cat OST – Bumamara (Komuna, 1998)
2. ŠABAN BAJRAMOVIĆ: Black Cat White Cat OST – Duj Sandale (Komuna, 1998)
3. ŠABAN BAJRAMOVIĆ & DOBROVOLJNO KOVACKO DRUSTVO: Romano Raj – Bele ruže (PGP, 2007)
4. ŠABAN BAJRAMOVIĆ & DOBROVOLJNO KOVACKO DRUSTVO: Romano Raj – Parno gras (PGP, 2007)
5. ŠABAN BAJRAMOVIĆ: Princes Amongst Men – I Bar Val Pudela (Asphalt Tango, 2008)
6. SEVERINA: Zdravo Marijo – Što to ona ima što ja nemam (Dallas Records, 2008)
7. SEVERINA: Zdravo Marijo – Gas gas (Dallas Records, 2008)
8. GORAN BREGOVIĆ: Goran Bregovic’s Karmen with a Happy End – Gas gas (Mercury, 2007)
9. SEVERINA: Zdravo Marijo – Haljinica boje lila (Dallas Records, 2008)
10. TERNE ČHAVE: More Love – Amare chaja (Indies Scope, 2008)
11. TERNE ČHAVE: More Love – Aj jaj jaj (Indies Scope, 2008)
12. GIPSY.CZ: Reprezent – Love love (Indies Scope, 2008)
13. GIPSY.CZ: Reprezent – Benga-beating (Indies Scope, 2008)

Šaban Bajramović ist gestorben....

Heute früh kam aus Belgrad diese traurige Nachricht: Šaban Bajramović - Vater der moderne Balkanmusik ist mit 72 an Herzversagen in sener Heimatstadt Niš getorben. Er war, oder bessser zu sagen, er ist und bleibt der Köng der Romamusik. Es kann nur ein König sein, so wie Elvis.



Šaban Bajramović geboren am 16 April, 1936 in Niš, gestorben am 8 Juni, 2008 in Niš, Serbia

Montag, 2. Juni 2008

Ethnorock aus der Ukraine. VV und ihre Erben.

Wir schreiben das Jahr 1986, vor kurzem hat Gorbatschow seine Perstrojka angekündigt, es war aber noch düster in der Ukraine. Düster nicht nur durch Radioaktivität... Es gibt's aber auch eine gute Nachricht aus diesem Jahr - die Band VOPLI VIDOPLJASOVA (kurz VV genannt) traf sich zum ersten Jahr in Kiew. VV bedeuted einfach alles für die ukrainishe Musik, so wie Beatles für die englische. VV als ersten verschmoltzten die Energie der westlichen Punk mit der melodien der ukrainischen Volkslieder. Der Erfolg war grandios, schon im Jahr 1987 waren sie als beste Band im Land ausgezeichnet. Die VV gibt es immer noch, vor kurzem haben sie ihren alten Aufnahmen, die damals nur noch als Audiokasseten gab's auf CDs wiederveröffentlicht. Heute besitzen sie ihr eigenes Label, unterstützen die junge Talente, veranstalten Ethnomusikfestivals und geniessen ihre Status.... eigentlich wünschte ich es mir etwas neues von der Band zu hören. Sie waren die ersten, erst dann kamen die HAYDAMAKY und viele andere hierzulande nicht bekannte Bands. Ein neuer Name von der VV-Erben ist PERKALABA, die schon zwei mal durch Deutschland tourten. Ein Video von ihrem Debutalbum "Horrry!" (Die Berrrge!) gibt's heute als Beilage. Die Playliste also:

1. VV: Buly Den’ki – A ba bap (Krajina Mrij, 2006)
2. VV: Abo Abo – Polonyna (Krajina Mrij, 2006)
3. VV: Abo Abo – Buly den’ki (Krajina Mrij, 2006)
4. VV: Buly Den’ki – A chy to (Krajina Mrij, 2006)
5. VV: Buly Den’ki – Pisen’ka (Krajina Mrij, 2006)
6. HAYDAMAKY: Buhuslav – Vysyt’ jabko (Comp Music, 2004)
7. HAYDAMAKY: Kobzar – Spokusa (Comp Music, 2004)
8. HAYDAMAKY: Buhuslav – Susidko (Comp Music, 2004)
9. PERKALABA: Horrry! – Hulej (Nash Format, 2003,2007)
10. PERKALABA: Svjato Hrybiv I Foreliv – Svjato hrybiv I foreliv (Bad TaStE, 2004)
11. PERKALABA: Horrry! – Horrry! (Nash Format, 2003,2007)
12. PERKALABA: Hovoryt’ Ivano-Frankivs’k – 4 tankisty (Taras Bulba Entertainment, 2007)
13. PROPALA HRAMOTA: Cejvo-Tajvo – Plich-o-plich (Nash Format, 2007)
14. PROPALA HRAMOTA: Cejvo-Tajvo – Da chumaky (Nash Format, 2007)
15. STELSI: Tam… - Tam… (Nova Zmina, 2005)


PERKALABA - Horrry!

GoEast 2008 (1) Swarzkopf von EPD-Film


Die Journalistin Barbara Schwarzkopf hat einen Artikel über das GoEast Festival in Wiesbaden geschrieben und ich bekam den Eindruck, daß wir auf verschiedenen Festivals waren. Von dem was sie ganz am Anfang über das Ost-West Verhältnis schreibt, bekommt man eine Vorstellung über ihr eigenes Verhältnis zu Osteuropa, bzw. zum osteuropäischen Kino. Gewiss, man versucht bei westlichen Festivals das sogenannte Autorenkino einzuladen und Filme über große Probleme dort drüben zu zeigen. Es gibt aber ein ABER, beim GoEast 2008 wurden nicht nur solche Filme gezeigt, es gab auch witzigere Komödien, gute Unterhaltungsfilme, etc. Schließlich ist eines der Standbeine des Festivals das Kinosymposium. In diesem Jahr konnte man dort Dokumentarfilme aus dem ehemaligen Jugoslawien und den Nachfolgestaaten sehen und darüber diskutieren. Es ist schade, wenn, um eine Schnapsidee zu unterstützen, alles, was nicht dazu gehört, ausgelassen wird. In einem bin ich aber durchaus einverstanden, dass der beste Film PROSTYJE VESCHI aus Rußland kam und ich hätte ihm sogar den Hauptpreis gegeben. Übrigens im FILM DIENST gab es einen ganz anderen Blick auf dieses Festival, ich werde es bald beim SLAVONIC DANCES blog stellen.

Klassisch melancholisch
Festival des mittel- und osteuropäischen Films in Wiesbaden: Wahrhaftiger, tiefsinniger oder einfach nur deprimierender - das Kino Osteuropas reibt sich gerne am eigenen Klischee

Für das Verhältnis von Ost und West in Europa sind Filmfestivals ein geradezu verräterischer Indikator. In Westeuropa gibt es gleich mehrere, die sich ganz dem Filmschaffen Osteuropas verschrieben haben, in Osteuropa kein einziges, das sich in vergleichbarer Weise mäzenatisch um das Autorenkino des Westens bemüht. Was als großzügige Geste westlicher Kulturinstitutionen daherkommt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als besondere Anspruchshaltung: Der osteuropäische Film soll zumindest »anders« sein, »tiefer« und »wahrhaftiger« als die übliche Kinoware des Westens, warum sollte man ihn sonst pflegen und unterstützen? Das neu entstandene kommerzielle Genrekino des Ostens sieht man deshalb nur in Ausnahmen auf den Festivals des Westens. Dort bevorzugt man selbstverständlich das Autorenkino, das besonders »echt osteuropäisch« erscheint, je düsterer und existenzieller es zugeht. Womit ein eigenes Problem entsteht: Festivals wie Go East in Wiesbaden müssen sich laufend bemühen, bei der Auswahl des Programms nicht dem eigenen Klischee vom osteuropäischen Film aufzusitzen.
Der estnische Beitrag MAGNUS (Regie: Kadri Kousaar), der in diesem Jahr den Hauptpreis in Wiesbaden gewann, scheint auf jeden Fall den Beweis antreten zu wollen, dass im Hang zur schonungslosen Darstellung verheerender Zustände tatsächlich die besondere Stärke des osteuropäischen Films liegt. Nach einem wahren Fall gedreht, erzählt der Film von einem jungen Mann, der Selbstmord begeht, und seinem Vater, der ihn »gehen lässt«. Der Natur der Sache nach ist es ein deprimierender Film, dessen Wirkung noch verstärkt wird durch die Tatsache, dass die Rolle des Vaters gespielt wird vom »echten« Vater des Selbstmörders. In einer Art Epilog sieht man ihn mit einem kleinen Kind auf dem Schoß - heute würde er es nicht mehr so weit kommen lassen.
Dass die gesellschaftliche Krise in Osteuropa etwas mit der Unzuverlässigkeit oder der Abwesenheit von Vätern zu tun hat, wurde auch im polnischen Beitrag ALLES WIRD GUT deutlich. Dort versucht ein 10-Jähriger, ein Wunder für seine sterbenskranke Mutter zu erwirken, indem er zur Schwarzen Madonna in Tschenstochau läuft. Sein Sportlehrer drängt sich ihm als Begleiter auf - aus rein egoistischen Interessen. Der Vater des Jungen 
war Alkoholiker, weshalb der Junge messerscharf die wahren Probleme des Sportlehrers erkennt. So wundergläubig er sich als Pilger geriert, so pragmatisch weiß er mit dem Alkoholiker umzugehen. Und wie oft in Filmen, in denen Kinder an der Seite von Erwachsenen spielen, ist es nicht der Kleine, der lernen muss, sondern der Große. Statt des Wunders kommt es am Ende zu einer Andeutung von Hoffnung - immerhin.
Obwohl in der traurig-depressiven Grundtendenz geradezu »klassisch osteuropäisch«, gelang es dem serbischen Beitrag LIEBE UND ANDERE VERBRECHEN von Stefan Arsenijevic (in Wiesbaden ausgezeichnet mit dem Preis für beste Regie), die üblichen Klischees aufzugreifen und gleichzeitig zu durchbrechen. Dort plant Anica, die Geliebte des örtlichen Obermafioso, das Land zu verlassen. Stanislav, seine rechte Hand, weiß um ihre Pläne und will den letzten Tag noch nutzen, um ihr seine Liebe zu gestehen. Schon als kleiner Junge hat er sie verehrt, und nun zeigt er ihr die Orte, an denen sie zum ersten Mal das Wort an ihn gerichtet hat: »Geh nach Hause, du Rotznase!«
oder er sie zum ersten Mal nackt gesehen hat - heimlich durchs Fenster. Nach und nach überlagert die melancholische Liebesgeschichte das mafiöse Setting und statt von Gewalt erzählt der Film von der verheerenden Macht zarter Gefühle - es geht natürlich trotzdem nicht gut aus.
Das war beim schönsten Film des Festivals, dem russischen Beitrag EINFACHE DINGE (Regie: Aleksei Popogrebsky), anders. Dort hat es der Anästhesist Sergej im neuen Russland nicht weit gebracht (und wer hat es im neuen Rußland ihrer Meinung nach weit gebracht, Abramowitsch und Putin zusammen mit Medwedew? denkt die Autorin daß sie selbst weit gebracht hat? - bozhidar): Noch immer wohnt er in einer alten Kommunalwohnung, wo ein Georgier ins Gemeinschaftstelefon schreit und eine alte Frau grußlos durch die Küche schlürft. Für eine »gute Betäubung« lässt er sich gerne extra bezahlen. Als ihm seine Frau verkündet, dass sie noch ein Kind erwartet, sieht er sich dem nicht gewachsen. Der Film ist das mutige Porträt eines sympathischen, aber nicht ganz anständigen Menschen. Im Reich dieser Zwiespältigkeit entdeckt er eine großartige Fülle an Nuancen - eine Qualität, fьr die die osteuropäischen Filme einst besonders berühmt waren. Barbara Schweizerhof

Sergej Puskepalis als Anästhesist Sergej im Film PROSTYJE VESCHI / Einfache Dinge