Dienstag, 27. November 2007

COTTBUS 2007 Teil 3, Positives noch mal

Diese Filme waren auch in ofiziellen Wettbewerb: 

PRAVIDLA LZI / REGELN DES LÜGENS (Tschechien)
Ein spannendes Kammerspiel über eine Selbsthilfegruppe von Junkiesaussteigern, die auf eine wahre Geschichte basiert und an Originalschauplätzen im Frühjahr 2006 gedreht wurde. Wie einer der Hauptdarsteller, Jan Budař, nach der Vorführung erzählte, wohnten die Schauspieler eine Zeit lang in einer selbstverwalteten Einrichtung auf einem ehemaligen Bauernhof in engem Kontakt mit den Patienten (wenn man so sagen darf) und dadurch kam diese Genauigkeit zustande, die, zusammen mit bester schauspielerischer Leistung, den Zuschauer bis zuletzt in Bann hält. Das den Plot vontreibende Geheimnis wird am Ende ein klein wenig gelüftet und das, finde ich, gibt dem Film noch mehr Würze, weit weg von jeglicher Didaktik.


PUTESCHESTVIE S DOMASCHNIMI SCHIWOTNYMI / REISE MIT HAUSTIEREN (Rußland)
Zwar ist der Name lang, die Geschichte aber ist einfach und kurz: eine bildschöne Frau lebt in einem kleinen Haus an der Eisenbahn, sie hat Probleme mit Männern und am Ende adoptiert sie einen Junge aus dem Weisenhaus, aus dem sie selbst eigentlich stammt. Ein typischer Russenfilm, wo die Seele sooo groooß ist, wie man es hier in Deutschland mag, das Leben ist aber hart, schmutzig, grau und unmenschlich, was man hier auch zu schätzen weiß. Es bleibt nur zu klären, wieso zwischen Moskau und St. Petersburg (wo die Dreharbeiten stattfanden) alles so erbärmlich aussieht wie vor 100 Jahren, vielleicht noch schlimmer. Wo ist das Geld von Gazprom?
Der Film bekam dafür den Hauptpreis beim diesjährigen Moskauer Filmfestival und auch in Cottbus hat er gut abgeräumt, insgesamt 5 Preise.


RASSLEDWANE / DIE UNTERSUCHUNG (Bulgarien)
Der Hauptpreisgewinner dieses Jahres ist eine gut gemachte bulgarische Variation des deutschen TATORTS. Die Kommissarin versucht den ganzen Film über, den schon überführten Brudermörder, der die Aussage verweigert, zum Reden bringen. Dazu kommen noch Probleme in der eigenen Familie, die man auch hierzulande jeden Sonntag um 20:15 geniessen kann – und fertig ist der Film. Die Regisseurin und ihre Produzentin haben sich beschwert, dass der Film Schwierigkeiten hat, in die bulgarischen Kinos zu kommen. Ich verstehe das vollkommen, für so etwas gibt es schon seit Jahren das Fernsehen und seit einiger Zeit sogar Home Cinema.
Wieso dann den Hauptpreis? Vielleicht, weil zum letzten Mal ein Film aus Bulgarien vor 15 Jahren den Hauptpreis gewonnen hat (MALTSCHANIETO, von Krassimir Krumov).


RUSSKIJ TREUGOLNIK / DAS RUSSISCHE DREIECK (Georgien)
Das kann so manchen in Verwirrung bringen: ein russisch-patriotischer Film kommt aus Georgien. Ich bin auch so einer, ich bin verwirrt! Besonders nachdem der Regisseur Aleko Tsabadze sich nach der Vorführung weigerte, über seinen Streifen zu sprechen. Angeblich wollte er nur auf Publikumsfragen antworten, die vollbesetzte Cottbuser Stadthalle aber schwieg, das Publikum brauchte vielleicht noch ein bisschen Zeit, Tsabadze ging aber....
Der Film ist ausschließlich mit russischen Darstellern besetzt, in rein russischer Sprache und spielt in einer nicht näher definierten russischen Großstadt. Den Hintergrund bildet der Krieg in Tschetschenien, der zwar schon seit Jahren erstickt scheint, die Funken davon sind aber in ganz Russland zu spüren sind. Das Skript entstand offensichtlich nach dem Lesen des ersten Romans von Boris Akunin (AZAZEL, auf Deutsch FANDORIN). Ein Polizeipraktikant untersucht auf eigener Faust die geheimnisvollen Morde an angesehenen Geschäftsleuten. Das wäre vielleicht ein sehr guter Thriller über das heutige Rußland, wenn nicht dieser neue russische Patriotismus wäre, der in den letzten Jahren unter Putin kultiviert wurde. Die Frage ist nur, wieso gerade ein Georgier diesen Film gemacht hat?


STUCZKI / KLEINE TRICKS (Polen)
Polnische Filme sind für mich ein Begriff an sich. Die perfekte Kamera (die Kameraleute aus Lodz sind einfach die besten in der Welt) plus eine permanente Darstellung des moralischen Zustands der Gesellschaft sind ihre Stärke. Dadurch sind sie für mich nie langweilig. Auch die Geschichte des kleinen Stefek, der versucht mit Hilfe kleiner Tricks seinen angeblichen Vater zur Familie zurück zu bringen, ist durchaus kurzweilig, unterhaltsam und amüsant. Das Leben in einem Provinzstädtchen bietet während der Sommerferien nicht viel an Unterhaltung, besonders wenn die ältere Schwester von einem Job in Italien träumt, die Mutter den ganzen Tag im kleinen Lebensmittelladen arbeitet und es keine gleichaltrigen Freunde gibt. Da bleibt einem nur, mit dem Freund der Schwester Motorrad zu fahren und die Züge und ihre Passagiere am Bahnhof zu beobachten. Ein Film über große Gefühle in kleinen Menschen.


ŽIVI I MRTVI / DIE LEBENDEN UND DIE TOTEN (Kroatien, BiH)
Der gut gemachte (Anti)Kriegsfilm ist nach dem erfolgreichen Roman von Josip Malkić gedreht und führt zwei Kriege zusammen, den Zweiten Weltkrieg und den bosnischen Krieg der 90er Jahren. Der Clou dabei ist – der selbe Schauplatz, ein sogenanntes „Tal des Todes“ irgendwo in Herzegowina. Derselbe Schauplatz – aber ein anderer Krieg, wo die ehemaligen Verbündeten zu Feinden werden (jetzt sind sie wieder Verbündete). Wenn aus der Truppe Ustaša-Domobrani ein einziger Mann überlebt, wohingegen in der sechsköpfigen kroatischen Abteilung, zu der auch der Enkel des Überlebenden gehört, kein einziger Mann am Leben bleibt.
Die beste kroatische Produktion des Jahres (Best Film, Best Director, Best Supporting Actors, Best Camera, Best Editing, Best Music, Best Sound, Best Special Effects beim kroatischen nationalen Filmfestival in Pula 2007) ist ein Film, der lange im Gedächtnis bleibt und den ich mir auch hier in den deutschen Kinosälen wünsche, aber ohne blöde Zuschauer wie das Mädchen (anscheinend eine Genderstudentin), das am Ende auf die geistreiche Frage kam: „Wieso gab es in dem Film keine einzige Frau?“
Zum Schluß noch der Trailer zum kroatischen Film:

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